Wie verpfeift man seinen Chef?

Neue Einsichten unter dem Dach des Bundeshauses?

Über die Anonymität von Whistleblowern

Wer Kollegen verpetzt, darf sich nicht wundern, wenn er keine Freunde hat. Kinder lernen das spätestens in der Schule. Der Denunziant ist ein Nestbeschmutzer. Und jedes Nest gibt vor, so gebaut zu sein, dass anonymes Anschwärzen nicht nötig ist. Manager sprechen dann gerne von offener Kommunikationskultur und Corporate Governance; jeder soll sagen können, wenn etwas nicht stimmt.

Doch das ist Augenwischerei. Vor allem wenn es darum geht, verwerfliche Machenschaften von Kadern aufzudecken. Internationale Studien zeigen, dass 90 Prozent der geouteten Verpfeifer ihre Stelle verlieren oder in der Hierarchie zurückgestuft werden. 27 Prozent erleiden juristische Repressalien, 26 Prozent werden zu Ärzten und Psychiatern geschickt, und jeder Zehnte versucht, seinem Leben ein Ende zu setzen. Es geht nicht etwa um Vorwürfe, die sich nicht erhärtet hätten. Viele Whistleblower &endash; so nennt man die, die jemanden verpfeifen - haben Unternehmen oder Verwaltungen vor grossen Schäden bewahrt. Einige von ihnen waren Helden für einen Tag, alle aber wurden sie abgestraft, auch in der Schweiz. Zum Beispiel Caroline Kramer, die als Mitarbeiterin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) aufdeckte, wie das Amt Steuergelder in eine Kampagne gegen die Volksinitiative für Alternativmedizin pumpte. BAG Chef Thomas Zeltner und Bundesrat Pascal Couchepin wurden von einer Untersuchungskommission gerügt, Kramer verlor ihren Job. Ein Dutzend weitere Fälle liesse sich anfügen. Wachmann Meili, der Bankakten vor dem Schredder rettete, wurde entlassen. Gleich ging es dem Zürcher Polizisten Meier 19, der Lohndiebstähle aufdeckte, oder Hans Peter Heise und Angela Ohno, welche die Zürcher Klärschlammaffäre publik machten.

Vor diesem Hintergrund ist es nur richtig, wenn Whistleblowing-Experten, wie das Basel Institute on Governance oder die Organisation Transparency Switzerland Aussagewilligen empfehlen, anonym zu bleiben. Whistleblower können heute nicht vor Repressalien geschützt werden. Unternehmen und Verwaltungen müssen erst interne Anlaufstellen schaffen, die Meldungen entgegennehmen und Angestellte vor Nachteilen schützen. Nach anfänglichem Widerstand hat der Bundesrat erkannt, dass Whistleblower besser geschützt werden müssen. Letztlich handeln sie im Interesse von Aktionären und Steuerzahlern. Im Spätsommer will die Regierung eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung schicken.

Ein Gesetz wird die Angst vieler Vorgesetzter vor Kontrollverlusten aber kaum beseitigen. Sie manifestierte sich auch in der aktuellen Abzockaffäre an der Zürcher Pädagogischen Hochschule. Dort wurde ein Mitarbeiter gerügt, weil er für eine Meldung eine Hierarchiestufe übersprungen hatte. Und die politische Vorgesetzte Regine Aeppli (SP) machte nach ersten Hinweisen eine Administrativuntersuchung gar vom Outing der Whistleblower abhängig, was einem Aufruf zum beruflichen Selbstmord gleichkommt.

Loyalitätsfetischismus ist wohl der grösste Feind, wenn es darum geht, Missstände aufzudecken. Ein Indiz dafür liefert der «Economic Crime Survey 2007» der PricewaterhouseCoopers. Demnach werden 56 Prozent aller kriminellen Machenschaften von Whistleblowern aufgedeckt. Die Hälfte aller Delikte sind der Teppichetage zuzuordnen, die eigentlich ein Controlling wahrnehmen müsste. Neben Habgier erwähnt die Studie mangelndes Unrechtsbewusstsein als Hauptgrund. Ein Grund mehr, als Whistleblower anonym zu bleiben

Artikel von Peter Johannes Meier in der Sonntags-Zeitung, 1. Juni 2008 >>


Kommentar

Wie der Fall des Buchalters Moritz Schriber >> aufzeigt, bekommt einem Angestellten das Whistleblowing nicht. Offenbar hat nun der Bundesrat das drängende Problem erkannt, dies ist nur zu begrüssen. Schon seit dem Bestehen dieser Webseite (September 2007) plädieren wir für eine entsprechende Regelung >> Es freut uns sehr, dass unsere Botschaft bei den Verantwortlichen angekommen ist.


Die Verluderung der Schweizer Justiz >>


Meine Meinung dazu >>

Inhaltsverzeichnis

Kontakt mit den Herausgebern

Seitenanfang

Home