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Die Prozesse gegen Moritz Schriber

Das Zürcher Obergericht verurteilte
Moritz Schriber wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses zu einer symbolischen Busse von Fr. 500.-

Der Buchhalter Moritz Schriber, welcher bei seinem Arbeitgeber «Gutzwiller & Partner», später übernommen von Rabo Investment Management unübliche Transaktionen feststellte, wurde von diesem entlassen. Als der ehemalige Arbeitgeber den Verdacht hatte, er zeige sie an, verklagten diese ihn.

 

Verbot der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen

Das Amtsgericht Hochdorf verbot am 13. November 1997 auf Antrag der Rabo Investment Management in einer vorsorglichen Massnahme die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen. Dagegen erhob der Anwalt von Moritz Schriber ein (unangebrachter) Rekurs, welches vom Obergericht Luzern am 20. Januar 1998 abgewiesen wurde.

Am 9. März 1998 reichten die Anwälte von Rabo Investment erneut eine Klage in Hochdorf ein. Es sei Moritz Schriber auch zu verbieten, in irgend einer Form über die Untersuchungen wegen Geldwäscherei gegen sie zu sprechen oder Dokumente weiter zu geben. Am 28. Juni bestätigte das Amtsgericht mehr oder weniger das erste Verbot, mit Ausnahme der Tatsache, dass gegen Tomas Matejovsky, Salomon Guggenheim und Dr.iur. Schubiger eine Untersuchung wegen Geldwäscherei eröffnet wurde und bei diesen auch eine Hausdurchsuchung stattfand. Ebenfalls erlaubt wurde ihm die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an Personen, die unter dem schweizerischen Anwaltsgeheimnis stehen. Allerdings erst nach vorheriger Zustimmung der Rabo Investment Management. Die Gerichtskosten wurden zur Hälfte aufgeteilt.

Ein wahrhaft salomonischer Urteilsspruch des Amtsgerichtspräsidenten Othmar Betschart!


Ehrverletzungsklage

In der Strafanzeige der Verantwortlichen der Rabo Investment Management vom 5. September 1997 wird eine Ehrverletzungsklage angedroht. In der Folge wird Moritz Schriber weiter von einem Privatdetektiv beschattet. Am 12. Dezember 1997 während eines Bewerbungsgesprächs mit der Manpower-Mitarbeiterin Babette Kienle, im Café Litéraire soll er folgende Äusserung gemacht haben: «Salomon Guggenheim, Tomas Matejowski und August Schubiger könnten nicht mehr nach Italien gehen, da sie sonst sofort verhaftet und für 25 Jahre eingesperrt würden. Sie alle drei hatten direkten Kontakt zu der Mafia in ltalien». Ob da Moritz Schriber etwas durcheinander gebracht hat, oder die rapportierenden Privatdetektive sei dahin gestellt. Tatsache ist, Salomon Guggenheim, Tomas Matejowski und August Schubiger machten Geschäfte mit Gerorg Kastl, der in Italien zu 24 Jahren Gefängnis verurteilet wurde und direkten Kontakt zur Mafia hatte.

Aus den Erwägungen des Bezirksrichters: Bei der Beantwortung der Frage, ob sich der dem Angeklagten in der Klageschrift vorgeworfene Sachverhalt verwirklicht hat, ist der Richter keinen festen Beweisregeln verpflichtet. Vielmehr gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Ein Schuldspruch ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Richter persönlich überzeugt ist, also den Sachverhalt ohne Zweifel für wahr halten darf. Kann der Sachverhalt nicht eindeutig bewiesen werden, so ist der Angeklagte nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» freizusprechen.

In einer wunderschönen Begründung würdigt der Richter die Zeugenaussagen und Beweislage und kommt zum Schluss, Moritz Schriber sei frei zu sprechen. Gegen dieses Urteil ergreifen die Anwälte der Kläger Rekurs, verschieben die Verhandlungen neun mal und schlussendlich wird das Verfahren abgeschrieben.


Strafanzeige wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses

Strafanzeige wegen wirtschaftlichem Nachrichtendienst

Strafantrag wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses

Moritz Schriber erstatte am Oktober gegen seinen Arbeitgeber Anzeige wegen Verdacht der Geldwäscherei. Am 10. Februar wurde er entlassen. Das Arbeitszeugnis verunmöglichte es ihm, eine neue Stelle zu finden. Er fragte die Bezirksanwaltschaft an, wie weit die Untersuchungen seien. Eine Anklage und Verurteilung vor dem Gericht hätte das Zeugnis relativiert und die Arbeitssuche erleichtert. Entweder war die Bezirksanwaltschaft überlastet oder kam aus irgend welchen Gründen mit den Untersuchungen nicht voran. Da liess er dem deutschen Focus einen Kontoauszug über die unüblichen Abrechnungen beim Drei-Länder-Fonds zu kommen. (Eine Kopie inklusive dem Begleitschreiben übergab er der Bezirksanwaltschaft). Der Artikel im Focus beeindruckte, es wurde eine Hausdurchsuchung bei den Verantwortlichen der Rabo Investment durchgeführt. Der ehemalige Arbeitgeber verklagte ihn darauf. Doch mit der Weitergabe des Kontoauszuges an ausländische Journalisten machte Moritz Schriber eindeutig strafbar.

Es wurden umfangreiche Befragungen in der Sache geführt. Da Moritz Schriber immer mehr ausflippte, wegen seiner aussichtlosen Lage bei der Stellensuche, wurde er auch ausfällig gegen die Behörden. Die liessen ein psychiatrisches Gutachten erstellen.

Am 12. September 2000 sollte die Hauptversammlung wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses vor dem Bezirksgericht stattfinden. Doch die Versammlung wurde nach 10 Minuten geschlossen, sein Anwalt machte geltend, dass ohne Entbindung vom Geschäftsgeheimnis keine Verteidigung möglich sei. In einer Eingabe forderte der Anwalt der Rabo Investment Management, die Gerichtsverhandlung müsse unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden und schriftliche Urteilserwägungen seien soweit zu anonymisieren, dass keine Namen und Daten von Kunden oder Mitarbeitern der erkennbar würden.

Wirtschaftlicher Nachrichtendienst ist ein Straftatbestand, das von Bundes wegen geahndet werden muss. Das Verfahren wurde an die Bezirksanwaltschaft Zürich delegiert und mit dem Verfahren wegen Geschäftsgeheimnisverletzung zusammengelegt.

Am 10. April 2001 fand die Verhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich statt. Ausser den Anwälten und den akkreditierten Gerichtsberichterstattern wurde kein Publikum zugelassen. Während der Verhandlung verliess Moritz Schriber aufgebracht den Saal. Nachfolgend erwähnenswerte Zitate aus dem Urteil:

Die psychiatrische Universitätsklinik Zürich wurde mit einer Begutachtung des Angeklagten beauftragt. In dem Dr. med. Kiesewetter erstatteten Gutachten wird festgehalten, dass sich aus dem Nachweis einer erheblichen schweren psychischen Störung zur Zeit des strafrechtlich relevanten Verhaltens des Angeklagten nicht mit hinreichender Sicherheit führen lasse. Ebenfalls lasse sich aus psychiatrischer Sicht auch nicht hinreichend belegen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der strafbaren Handlungen vermindert zurechnungsfähig gewesen sein könnte. Es ist aber gleichwohl zu bemerken, dass der Angeklagte offenbar in gewissen Situationen dazu neigt, sehr emotional zu handeln, wie das Verlasssen der Gerichtsverhandlung.

Zu den Beweggründen des Angeklagten ist anzuführen, dass dieser wohl nicht primär aus purer Böswilligkeit gehandelt hat, um seiner ehemaligen Arbeitgeberin in irgend einer Form Schaden zuzufügen und insofern also auch nicht primär im Sinne eines «Rachefeldzuges» handeln wolIte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er - aus seiner Sicht - als Kämpfer für (Steuer-)Gerechtigkeit und einen «sauberen Finanzplatz» gehandelt hat.

Es ist dem Angeklagten auch zuzubilligen, dass er wohl auch eine gewisse Angst davor hatte, dass im Falle einer Untersuchung wegen Geldwäscherei gegen seine Arbeitgeberin in der Folge auch gegen ihn selber als verantwortlichen Buchhalter Ermittlungen aufgenommen werden könnten. Seine diesbezüglichen Befürchtungen waren - insbesondere auch aus seiner Sicht - auch nicht völlig abwegig, denn gemäss dem Geldwäschereitatbestand wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln. AIs zeichnungsberechtigter Buchhalter fühlte er sich - auf Grund seiner Feststellungen und seiner eigenen daran anschliessenden Interpretationen der von ihm wahrgenommenen Vorgänge - durch die Gutzwiller & Partner AG bezeihungsweise deren Rechtsnachfolgerin in Bezug auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung und bezüglich Beihilfe zur Vornahme von wirtschaftlich nicht begründeten Finanz-Transaktionen missbraucht.

Der Ablauf des Vorgehens des Angeklagten lässt sich eigentlich in zwei Phasen unterteilen. In der ersten Phase hat der Angeklagte korrekt und vorschriftsgemäss gehandelt. Er hat das getan, was auch der Staat und insbesondere auch jedes redlich geführte Finanzdientsleistungsunternehmen im Hinblick auf die Bekämpfung der Geldwäscherei von einem gewissenhaften Buchhalter einer Bank oder eines bankähnlichen Unternehmens erwartet. Im Jahre 1995 ist dem Angeklagten aufgefallen, dass für eine an sich unkomplizierte Überweisung von einem Konto in Panama auf ein solches in Vaduz/Liechtenstein eine komplizierte Konstruktion mit Transaktionen über mehrere Off-Shore Finanzplätze und auch über mehrere Konten benutzt wurde, wobei im Zeitraum von Oktober 1995 bis September 1996 mittels fünf Transaktionen je zwischen Fr. 600'000.- und Fr. 750'000.-, also insgesamt, Fr. 3'400'000.- für einen ihm bekannten Kunden der Rabo Investment Management «rein gewaschen» worden seien. Der Angeklagte hat sich dann in der Folge auch zuerst strikt an den Dienstweg gehalten und Herrn Dr. Zimmer, Chef der Rabo Robeco Bank Schweiz, in einem vertraulichen Gespräch über diese ihm verdächtig erscheinenden Transaktionen informiert. In der Folge wurden diese Transaktionen in einem Due-Diligence-Verfahren, welches von der ATAG Ernst & Young durchgeführt wurde, auch speziell geprüft, wobei ihm der damit beauftragte Revisor in diesem Zusammenhang später auch gesagt haben soII, es könne sich auf Grund der vorliegenden Akten bezüglich dieser Transaktionen eindeutig nur um Geldwäscherei handeln und dieser aber nach dem Äussern dieser Vermutungen sofort von seiner Revisionstätigkeit freigestellt worden sei. Erst danach, als der Angeklagte feststellte, dass innerhalb der Firma im Zusammenhang mit den von ihm zuvor geäusserten entsprechenden FeststelIungen nichts Substantielles unternommen wurde, wandte er sich in einem weiteren Schritt an die zuständige Bezirksanwaltschaft.

Am 31. Januar 1997 musste der Angeklagte überdies auch für die Entgegennahme und Weiterleitung von 3.35 Kilogramm «Zahngold» zwecks Einschmelzung unterschreiben, wobei er in dem entsprechenden Kontext befürchtet habe, es handle sich dabei um «Zahngold», welches im Zusammenhang mit früheren Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlangt worden sein könnte. Diese Einschätzung hat er innerhalb der Firma auch mit einem Kollegen besprochen. Anfangs Februar 1997 wurde ihm dann schliesslich unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist sein Arbeitsverhältnis gekündigt. Zudem wurde er per sofort von seiner Tätigkeit freigestellt.

Nach dieser Kündigung seitens seiner Arbeitgeberin meldete sich der Angeklagte erneut bei der Bezirksanwaltschaft und erkundigte sich nach dem Stand des Verfahrens. Er glaubte festzustellen, dass seit seiner Anzeige im Oktober in dieser Angelegenheit nichts «gelaufen» sei, weshalb er seine frühere Anzeige formell wiederholte. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre am Verhalten des Angeklagten auch nichts auszusetzen gewesen.

Was seine weiteren Schritte betrifft, hat der Angeklagte jedoch klar über das «Ziel hinausgeschossen» und damit auch den Bereich des legaIen Handelns verlassen. Der Angeklagte war zwar verunsichert und auch schwer enttäuscht, als er bei seinem zweiten Vorsprechen bei der Bezirksanwartschaft das Gefühl bekommen hatte, es würde in der von ihm zur Anzeige gebrachten Angelegenheit nichts unternommen.

In der Folge scheint er sein Vertrauen in die Justiz generell verloren zu haben. Anlässlich der Hauptverhandlung beschimpfte er das Gericht massiv. Zudem äusserte er sich auch dahingehend, dass man nun endlich einmal das ganze «Verbrecherpack» verurteilen soIIe. Daraufhin verliess er in respektloser Manier den Gerichtssaal.

Die Übergabe diverser vertraulicher Unterlagen beziehungsweise seines Berichtes über Interna an Journalisten des deutschen Magazins Focus, später auch an eine Mitarbeiterin von Manpower, war wohl durch sein Bedürfnis motiviert, den vermeintlichen Geldwäscherei-FaIl und sonstige Ungereimtheiten bei seinem ehemaligen Arbeitgeber zu erklären, weshalb er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber entlassen wurde.

An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Verfahren wegen Geldwäscherei gegen Georg Kastl und weitere Mitangeschuldigte nicht etwa eingestellt wurde, weil die vom Angeklagten eingereichte Strafanzeige völlig aus der Luft gegriffen gewesen wäre. Vielmehr wird in der entsprechenden Einstellungsverfügung festgehalten, dass die Gelder, welche in den Jahren 1995/1996 Gegenstand der fraglichen Transaktionen waren, letztlich wohl schon einen deliktischen Hintergrund hatten. Wobei aber der Nachweis nicht erbracht werden konnte, dass direkt oder indirekt Gelder oder Erlöse aus dem Drogenhandel transferiert worden sind. Deshalb musste zugunsten der angeschuldigten Personen davon ausgegangen werden, dass es sich bei den entsprechend transferierten Geldern um den Erlös aus dem Zigarettenschmuggel gehandelt habe. Zigarettenschmuggel war und ist auch in der Schweiz strafbar. Dabei handelt es sich nach schweizerischem Recht aber lediglich um Zolldelikte, welche nicht als Verbrechen zu qualifizieren sind. Aus diesem Grund kann das «Weisswaschen» solcher Gelder in der Schweiz auch nicht als Geldwäscherei strafrechtlich verfolgt werden.

Moritz Schriber wurde zu 5 Tage Gefängnis und einer Busse von Fr. 1000.- verurteilt. Die Strafklage und die damit verbunden Schadenersatzforderung wurde von der Rabo Investment Management zurückgezogen.

In einem Berufungsverfahren vor dem Obergericht Zürich wurde die Strafe auf Fr. 500.- reduziert.


Strafanzeige wegen Verletzung des Bankgeheimnisses

Strafanzeige wegen Verletzung der beruflichen Schweigepflicht

Strafanzeige wegen unlauterem Wettbewerb

Strafanzeige wegen ungetreuer Geschäftbesorgung

Strafantrag wegen Verletzung des Bankgeheimnisses

Strafantrag wegen Verletzung der beruflichen Schweigepflicht

Strafantrag wegen unlauterem Wettbewerb

Auf diese Anzeigen ist die Bezirksanwlatschaft nicht eingetreten oder die Kläger haben diese zurückgezogen.


Kommentar

In die schweizerische Justiz darf man Vertrauen haben. Die Urteile haben Recht gesprochen, auch im moralischen Sinne.

Jedoch ein erhebliches Problem der Gesetzgebung ist, dass Zigaretteschmuggel in der Schweiz nur ein «Zolldelikt» darstellt. Da besteht dringender Handlungsbedarf. Und eine grosses Problem stellt die Ungleichheit der Parteien dar. Auf der einen Seite eine Tochterfirma einer ganz grossen internationalen Bank, die sich jegliche Anwaltskosten leisten kann. Auf der anderen Seite ein Buchhalter, dem man das Leben ruinieren kann.

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