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Die Zürcher Filliale der Bank
Sarasin
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Heimliche Provisionen und Kickbacks
gehören den Bankkunden. Das hat das
Bundesgericht letztes Jahr entschieden. Die Branche
foutiert sich darum.
Ein Kunde der Bank Sarasin ärgert sich.
Diese verweigert ihm Informationen darüber,
wie hoch jene Entschädigungen (Retrozessionen)
sind, die in der Vergangenheit hinter seinem
Rücken von der hauseigenen Fondsgesellschaft
an die Bank geflossen sind. Er hat zwischen 1999
und 2001 sein Vermögen von Sarasin verwalten
lassen. Diese steckte seine knappe Million
Erspartes in hauseigene Fonds und kassierte
dafür Retrozessionen.
In einem wegweisenden Entscheid hat das
Bundesgericht im März 2006 entschieden, dass
Retrozessionen dem Auftraggeber (Kunden)
gehören. Für Peter V. Kunz,
Rechtsprofessor an der Universität Bern, ist
die Verweigerung der Bank Sarasin ungeheuerlich:
«Das Bundesgerichtsurteil postuliert klar,
dass Anleger Anspruch darauf haben, informiert und
allenfalls entschädigt zu werden.»
Die Bank Sarasin ist der Ansicht, dem
Bundesgericht Folge geleistet zu haben, wie
Pressesprecher Harald Melzer auf Anfrage sagt:
«Die Bank Sarasin gibt auf Kundenfragen
jederzeit Auskunft. Sie besteht darin, dass die
Bank dem Kunden ihre Auffassung zu den Folgerungen
aus dem Bundesgerichtsurteil beziehungsweise zur
Retrozessions-Problematik darlegt.»
Die Bank Sarasin sei kein Einzelfall, weiss der
Zürcher Wirtschaftsanwalt Daniel Fischer.
«Vor allem Kunden mit kleineren Vermögen
werden von den Banken abgespeist, zum Beispiel mit
der Begründung, das Bundesgerichtsurteil
treffe auf ihren Fall nicht zu. Andere klären
ihre Kunden schlicht falsch auf.» Die Rechnung
geht für viele Banken zurzeit noch auf, denn
für kleine Anleger lohnt sich ein Gang vor
Gericht aus finanziellen Gründen nicht. Das
wissen die Banken - und nutzen es aus. Fischer
empfiehlt den Anlegern, sich zusammenzuschliessen.
«Damit machen wir gute Erfahrungen.»
Weil sich das Verdikt des obersten Gerichtes
2006 auf einen unabhängigen
Vermögensverwalter bezogen hatte, schweigen
vor allem Banken und Fonds die Problematik tot.
Dabei fahren gerade die Banken eine
widersprüchliche Doppelstrategie: Obwohl sie
behaupten, das Bundesgerichtsurteil gehe sie nichts
an, passen sie ihre allgemeinen
Geschäftsbedingungen an.
Wider das Bundesgericht
Ein Beispiel ist die Bank Julius Bär.
Gemäss einer neuen Gebührenordnung
verzichten die Kunden darauf, dass
«Retrozessionen von der normalen
Vergütung der Bank für deren
Dienstleistungen abgezogen werden. Die Bank ist
nicht verpflichtet, die Form, Art und Höhe
zugeflossener Retrozessionen offenzulegen.»
Damit wird die Praxis der Retrozessionen zementiert
- und nicht, wie es die Bundesrichter wollten,
damit aufgeräumt.
Rechtsprofessor Kunz hält es für
unzulässig, einen Verzicht auf die
Retrozessionen in die allgemeinen
Geschäftsbedingungen aufzunehmen.
«Gemäss der Praxis des Bundesgerichtes
darf dort nur stehen, was nicht ungewöhnlich
ist. Ein Verzicht auf Retrozessionen in alle
Zukunft, ohne deren Ausmass zu kennen, ist
zweifelsohne etwas Aussergewöhnliches.»
Die Bank Bär will zur neuen
Gebührenordnung nichts sagen. «Als
Privatbank entspricht es nicht unserer Praxis,
Einzelheiten von vertraglichen Regelungen mit
unseren Kunden in der Öffentlichkeit zu
diskutieren.»
Am dreistesten reagiert das Fürstentum
Liechtenstein auf das Verdikt aus Lausanne. Im
Ländle wird die Finanzmarktgesetzgebung auf
den 1. November so angepasst, dass die Praxis der
Retrozessionen quasi legalisiert wird. Eine
ähnliche Entwicklung hält Kunz in der
Schweiz für unmöglich. «In
Liechtenstein überrascht mich das nicht
wirklich. Der Schweizer Finanzplatz aber kann sich
Gleiches nicht leisten.»
Kurzsichtige Politik
Ob die Vogel-Strauss-Politik der Banken auf
lange Frist aufgeht, ist fraglich. Die Haltung der
Finanzbranche scheint mit Blick auf Europa
äusserst kurzsichtig. Im EU-Raum sind zwei
Trends spürbar. Zum einen will man
Retrozessionen zum Verschwinden bringen, weil sie
einen Kostenfaktor für die Anleger darstellen,
zum anderen will Brüssel die Transparenz in
der Finanzindustrie erhöhen
(Mifid-Richtlinien). Wohin die Reise in Europa
geht, illustriert ein neues Urteil von Ende 2006:
Das Oberlandesgericht Düsseldorf sprach einem
Anleger nicht nur die vorenthaltenen
Retrozessionen, sondern auch den entgangenen Gewinn
darauf zu.
Rechtsprofessor Kunz rechnet damit, dass sich
auch die Eidgenössische Bankenkommission (EBK)
ihre Gedanken über das Bundesgerichtsurteil
macht. Die Basler Anwältin Monika Roth,
spezialisiert auf Corporate Governance, fordert von
der EBK, «sich dringend andere Gedanken zu
dieser Problematik zu machen als die bisher
publizierten». Das könnte für die
Banken unangenehm werden, denn sie kassieren nicht
nur Retrozessionen, sondern zahlen auch solche.
Seit Juli 2006 gibt es eine neue Bestimmung im
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG),
gemäss der sich auch jene der Privatbestechung
schuldig machen, die unerlaubte
Entschädigungen anbieten.
Weniger taub als die Banken stellen sich
einzelne Vermögensverwalter. Oft kommt es zu
Vergleichen - die wegen Geheimhaltung nicht bekannt
werden. Erst wenige aber verpflichten sich
vertraglich, sich nur von ihren Kunden zahlen zu
lassen und, wo das nicht möglich ist, explizit
alle Retrozessionen weiterzugeben.
Charlotte Jacquemart, NZZ am Sonntag, 7. Oktober
2007
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