Allein gegen die Grossbank

Die Justiz verschleppt Thomas Westermeiers «Rabobank-Fall» auf skandalöse Weise

Der Artikel im Cash vom 4. Juni 1999

Eine Bank soll das Vermögen eines Kunden veruntreut haben. Der Kunde ruft die Justiz an – doch die Behörden decken die Bank und beginnen ihrerseits, den Kunden fertig zu machen. Acht Jahre dauert es, bis ein kleiner Polizist Bewegung in den Fall bringt.

Seit 1991 klagt Thomas Westermeier gegen die Rabobank (Schweiz) und ihre Vorläuferinnen: Die Bank habe das Vermögen veruntreut, das er ihr treuhänderisch anvertraute. Doch die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich räumt dem Fall «keine Priorität» ein. 1995 versucht sie, das Verfahren einzustellen. Als Westermeier dies zu umgehen weiss, delegiert die Staatsanwaltschaft den Fall in die Provinz: Anfang 1996 an die Bezirksanwaltschaft von Affoltern am Albis, Anfang 1997 nach Hinwil.

Inzwischen ist Westermeier ein Fürsorgefall. Er leidet unter Herzproblemen. Sein einst stattliches Vermögen ist von Prozesskosten restlos aufgefressen. Der Kanton, bei dem er in Miete ist, hat ihm die Wohnung gekündigt. Die Gerichte verunmöglichen dem «Querulanten» weitere Klagen mit hohen Kautionsforderungen.

 

Der Fall wurde aufs Land abgeschoben

Doch nach acht Jahren erscheint am 30. April 1999 der Bericht eines polizeilichen Wirtschaftsprüfers, der festhält, in diesem Fall liege tatsächlich Veruntreuung vor. Jetzt hat der Regierungsrat eine formelle Anfrage des grünen Kantonsrats Daniel Vischer auf dem Pult, der wissen will, was hier eigentlich gespielt wird: «Warum wurde dieser Fall nicht der Spezialabteilung für Wirtschaftskriminalität zugeteilt, sondern zwischen Bezirksanwaltschaften auf dem Land herumgeschoben, die von komplexen Finanztransaktionen keine Ahnung haben?», fragt der Parlamentarier und: «Nach welchen Kriterien werden eigentlich solche Fälle delegiert?»

Westermeier führte einen Kampf gegen ständig wechselnde Windmühlen. Zuerst konnte er seine Behauptung kaum beweisen, wonach die Bank sein Treugut (Anteile an zu verwertenden Kreditsicherheiten) veruntreute, weil ihm die Bank schlicht keine dazu erforderlichen Dokumente und Auszüge mehr lieferte. 1994 begann die Bank eigenmächtig mit der Verwertung dieser Sicherheiten. Einen Teil übertrug sie auf eine irische Tochterfirma, andere Teile verschenkte sie. Westermeier lief Sturm gegen seine Enteignung, doch er wusste gar nie recht, wie ihm geschah, denn die Bank verweigerte ihm auch die Einsicht in die Abtretungsurkunden – unter Hinweis auf das Bankgeheimnis notabene.

Beamte auf dem Weg zur Hausdurchsuchung bei der RaboBank

Westermeier prozessierte über ein Jahr, bis ein Richter der Bank Ende 1995 rechtskräftig befahl, ihm das Einsichtsrecht zu gewähren. Im Februar 1996 erschien er in Begleitung einer Amtsperson vor den Pforten der Bank. Doch die liess beide nicht an das Dossier heran. Die Behörden liessen es sich gefallen, dass die Bank ein Gerichtsurteil in den Wind schlug, von sich aus wurden sie jedenfalls nicht aktiv. Westermeier selber musste die Bank wegen Ungehorsams gegen eine richterliche Verfügung verklagen, erneut durch alle Instanzen - bis das Kassationsgericht ihm Ende Oktober 1997 Recht gab. Erst danach, im Januar 1998, marschierte Albert Waldmeier, Wirtschaftsprüfer der Kantonspolizei, unter Polizeischutz in die Bank ein und behändigte das fragliche Dossier.

In seinem vor Monatsfrist abgeschlossenen Bericht bestätigt der Bücherexperte den «Verdacht der teilweisen unrechtmässigen Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf von Sicherheiten (Treugut)» und folgert, «dass aus objektiver Sicht vom Tatbestand der Veruntreuung bzw. ungetreuen Geschäftsbesorgung auszugehen ist». Prompt kriegt der Beamte jetzt eins auf den Deckel: «Das ist eine sehr unglückliche Bemerkung», sagt der zuständige Staatsanwalt Armin Felber gegenüber CASH zähneknirschend, «die diesem Beamten keineswegs gebührt. Es ist Sache des Richters, dies zu entscheiden – wo kämen wir da hin.» Dass Waldmeier der erste und einzige Beamte ist, der den Fall wirklich durchschaut und dass die betraute Landbezirksanwältin keinen Durchblick haben kann, bestreitet Felber nicht. «Doch wenn sie einen so guten Mann wie Waldmeier zur Seite hat, der sich in diesen Dingen besser auskennt, kann sie aus seinen Informationen ihre Schlüsse ziehen.»

 

Jovialer Aufruf zur Versöhnung

Doch dann verspricht der Staatsanwalt, der Fall werde noch 1999 abgeschlossen, und ruft jovial zur Versöhnung auf: «Letztlich sitzen doch alle im gleichen Boot. Die Bank wollte dieser Sicherheiten doch nur so verzweifelt habhaft werden, um sie verwerten zu können – das ist doch auch im Interesse des Klägers –, und da probierte die Bank eben alle Wege aus, auch Umwege. Natürlich mag dabei ja wirklich dieses und jenes nicht besonders schön aussehen», räumt der Staatsanwalt ein, «doch wir haben es hier mit einer Strafklage zu tun - und strafrechtlich sehe ich derzeit kein Vergehen der Bank. Denn selbst wenn sie faktisch veruntreut hätte, ist nirgends ersichtlich, dass sie es vorsätzlich zum Schaden des Kunden getan hätte – und nur dies wäre unter dem Strafrecht ein Vergehen.»

Doch letztlich geht es ja um Geld. Und da schliesst sich der Kreis. Denn Zivilprozesse sind extrem kostspielig, und der Strafprozess ist hier das günstigste Mittel eines Mannes, der um seine nackte Existenz kämpft. Wird unsere Gerichtsbarkeit das Recht des Schwächeren schützen, oder erhebt sie am Ende gar das Unrecht des Stärkeren zum Recht? Aus der Antwort des Staatsanwalts blickt der Zynismus etlicher Dienstjahre: «Zuerst müssen einmal die über die Jahre aufgelaufenen enormen Kosten für die Verwertung der fraglichen Sicherheiten gedeckt werden», sagt Felber. «Falls dann noch was übrig bleibt, können wir darüber reden.»

 

Nicht ganz lupenrein

Die grösste Sparbank der Niederlande gilt als solideste Bank der Welt. Jedenfalls ist sie die einzige Bank der Welt mit einem Triple A von allen drei massgeblichen Ratingagenturen. In der Schweiz hat die Rabobank allerdings keinen glänzenden Leistungsnachweis. Sie übernahm Anfang 1996 die Giro Credit, welche 1992 die Bankinvest übernommen hatte, ein nicht ganz lupenreines Institut, das Berühmtheiten wie Werner K. Rey hervorgebracht hat. 1996 kaufte Rabo (Schweiz) zudem die Vermögensverwaltung Gutzwiller & Partner, gegen die 1997 eine Strafuntersuchung wegen Geldwäscherei eröffnet wurde. Die Fusionen gehen weiter: Im April hat Rabo (Schweiz) mit Robeco (Schweiz) fusioniert, einer anderen niederländischen Finanzgesellschaft. Die neue Rabo Robeco Bank (Schweiz) beschäftigt über 150 Mitarbeiter und verwaltet rund 7 Milliarden Franken Vermögen.

von André Kienzle / Cash 04.06.1999; Ausgabe-Nr. 22; Seite 5


Kommentar

Die Organe einer Bank erklären dem Kunden: Alles nur über die Gerichte. Dem Kunden bleibt nichts anderes übrig als zu prozessieren. In unzähligen Verfahren, bei denen die Rechtsvertreter der Bank alles unternehmen – bis an die juristische Schmerzgrenze – behindern diese die Justiz >>, damit der Kläger kein Recht bekommt. Mit der Zeit entsteht der Verdacht, dass diese Organe mit betrügerischer Absicht handeln. So reicht der Bankkunde Strafanzeige ein.

Offenbar sind aber die Justizbehörden der Ansicht, beim klagenden Bankkunden handle es sich um einen Querulanten. Einer der nicht einsehen will, dass Bankorgane immer korrekt handeln. Die Untersuchung wird einer kaum mit Wirtschaftsdelikten vertrauten Bezirksanwältin übergeben. Mit mehreren Prozessen kann der Kläger erwirken, dass bei der Bank Dokumente zum Fall beschlagnahmt werden. Der ausgewiesene Wirtschaftsprüfer der Polizei erkennt eindeutig strafbare Taten.

Doch jetzt wird die Untersuchung eingestellt, obwohl der Ombudsmann alles angeschaut hatte und dezidiert darauf hingewies, wo die Schwachpunkte in der Argumentation der Bankenvertreter liegen, und dass das Verhalten der Organe der Bank strafrechtliche Taten vermuten lässt.

Selbst das Obergericht muss in einem Urteil im Fall feststellen: «Im Ergebnis wurde durch diese Konstruktion, der die Ablösung eines Gesellschafters durch einen neu beitretenden Gesellschafter von der Zustimmung aller bisherigen Gesellschafter abhängig macht, umgangen.»

Der Staatsanwalt Felber zur Sache: «Zuerst müssen einmal die über die Jahre aufgelaufenen enormen Kosten für die Verwertung der fraglichen Sicherheiten gedeckt werden». Auf diese Abrechnung wartet die Tarapaca / Thomas Westermeier schon seit Mitte 1983!

Unterdessen hat sich herausgestellt, die Bank wurde Mitte 1983 vertragsbrüchig. Seit diesem Datum schuldet sie demnach den ganzen Betrag nebst Zinsen! Der Staatsanwalt Armin Felber aber wollte das nicht sehen und meinte dazu: «Falls dann noch was übrig bleibt, können wir darüber reden.» Hat er sich offenbar als Vertreter der Bank gesehen?

Doch nach dem Vertragsbruch hat die Bank eigennützig gehandelt. Wie sie die Sicherheiten verwertet hat, hat nichts mehr mit der Tarapaca zu tun.

 


Hintergründe des Falls Tarapaca gegen die GiroCredit (Schweiz) und deren
Rechtsnachfolgern >> (heute Bank Sarasin)

Brief des Ombudsmanns an den zuständigen Regierungsrat >>

Systematische Behinderung der Justiz >>

Anerkennung der Ansprüche: Das Urteil des Obergerichts >>

Strafanzeige der Tarapaca infolge neuer Beweismittel gegen die Bank >>

Die Prozessflut Tarapaca gegen die GiroCredit Bank: Mögliche Gründe >>

Das nicht sehen wollen, nichts sagen wollen, nichts hören wollen der Justizorgane: Mögliche Gründe >>

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