Das ungute Gefühl mit der Schweizer Justiz


Zürcher Kantonsrat schaltet sich in der Affäre Roland Nef ein

Das Strafverfahren gegen den zurückgetretenen Armeechef Roland Nef ist eingestellt, die Formalitäten des Abgangs inklusive Entschädigung sind geregelt, also könnte man annehmen, die Affäre sei erledigt. Tatsächlich dürfte es jetzt aber zu einem Nachspiel auch in der Zürcher Politik kommen.

Hatten Zürcher Behörden das Strafverfahren gegen Roland Nef, den einstigen Armeechef, unter Druck des Verteidigungsdepartements eingestellt? Die zuständigen Kommissionen des Kantonsrats fordern von der Staatsanwaltschaft Erklärungen zu solchen Vorwürfen.

Es ist zu hoffen, die Justizkommission untersucht nicht nur diesen Fall, sondern auch die allgemeine Praxis von Untersuchungseinstellungen wie im Fall Schriber oder Tarapaca.

 


Waadtländer Notar als Hochstapler entlarvt 

Im Kanton Waadt ist ein Notar als Hochstapler aufgeflogen. Er schmückte sich mit einem Doktortitel, den er nie erworben hatte. Der «Dr.iur.» ist in der Waadt aber Voraussetzung für den Beruf als Notar. Deshalb hat er seine Zulassung verloren. Auf die Schliche gekommen war ihm ein Anwaltskollege, der ihn des wegen beim Kanton verpfiff, wie die Justizdirektion am Dienstag mitteilte. Eine darauf eingeleitete Administrativ- und Disziplinaruntersuchung ergab nun, dass die gesamte Berufskarriere des Notars auf einer gefälschten Urkunde aufgebaut war. Der Mann habe für sein Praktikum als Notar eine gefälschte Doktoratsurkunde vorgelegt, er klärte Justizdirektor Philippe Leuba auf Anfrage. «Er hätte deshalb gar nie zum Notariatsexamen antreten dürfen.» Der «falsche» Notar, der von 1993 bis 2007 für die FDP im Kantonsparlament politisiert hatte, ist geständig und hat sein Patent umgehend abgegeben. Gleichzeitig hat der Kanton gegen den fehlbaren Hüter des Gesetzes Strafanzeige eingereicht.

Neue Zürcher Zeitung, 24. Juni 2008

 


Franco Verda, ehemaliger Tessiner Gerichtspräsident wegen Korruption verurteilt

Der ehemalige Tessiner Strafgerichts-Präsident Franco Verda ist wegen Korruption, Amtsgeheimnis-Verletzung und Anstiftung dazu zu 18 Monaten Haft bedingt verurteilt worden. Der Zigaretten-Schmuggler Gerardo Cuomo erhielt 10 Monaten bedingt.

In einem der aufsehenderregensten Prozesse der Tessiner Justizgeschichte folgten Einzelrichterin Giovanna Roggero-Will und die Geschworenen fast vollständig der Anklage, auch wenn sie das beantragte Strafmass von zwei Jahren unbedingt auf eine bedingte Haftsstrafe reduzierten. Für den 60-jährigen Verda besonders bitter: Er wurde der Bestechlichkeit schuldig gesprochen.

 

Beschlagnahmtes Mafia-Geld für Freundin

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Verda den Plan hatte, aus der Teilfreigabe von beschlagnahmten Geldern des Mafioso Francesco Prudentino Profit zu schlagen und dafür seinen Freund Gerardo Cuomo als Vermittler einzuspannen. Auch wenn der - nie bezahlte - Betrag von rund 800'000 Franken an die in Finanznot steckenden Freundin Désirée Rinaldi gehen sollte, sei es für einen Richter absolut unzulässig, einen eigenen Entscheid «wie eine Ware» anzubieten, sagte die Richterin in ihrer mündlichen Urteilbegründung.

Verdas Version, er habe vom Deal gewusst, sei aber nie treibende Kraft gewesen, sei unglaubwürdig. Dies belegten nicht nur seine widersprüchlichen Aussagen während der Ermittlungsphase, sondern auch die bewiesenen, punktuellen Informationen an Cuomo über den Stand des Verfahrens.

 

Kriminalitäts-Bekämpfung untergraben

Damit machte sich das Gericht die Version von Gerardo Cuomo zu eigen, der erklärt hatte, Verda habe im Mai 1999 in Monte Carlo den Pakt vorgeschlagen. Das Gericht folgte zudem dem Antrag auf Bestechung als schwerer Fall, weil Verda im Enteignungs-Verfahren gegen Prudentino nicht konsequent genug entschieden und damit den Kampf gegen das organisierte Verbrechen untergraben habe. Die nötige Unparteilichkeit habe Verda bei der Behandlung des Falles gefehlt.

Auch der Vorwurf der Amtsgeheimnis-Verletzung wurde Verda in mehreren Fällen angekreidet und die Anstiftung dazu. Es handele sich um eine «gravierende Tat", eine amtliche Akte ins Ausland zu bringen und einer dritten Person zu zeigen., genauso wie von einem befreundeten Polizisten vertrauliche Informationen über Cuomo zu erfragen. Einzig vom Anklagepunkt der Begünstigung wurde Verda vollumfänglich freigesprochen.

 

Keine Milde wegen Krankheit

Das Gericht anerkannte keine mildernde Umstände wegen Verdas Krankheit, wie von der Verteidigung gefordert, reduzierte wegen der bereits erfolgten Amts-Enthebung die Strafe gleichwohl auf 18 Monate, das Höchstmass, um die Strafe bedingt auszusetzen. Der mutmassliche Zigarettenschmuggler Gerardo Cuomo wurde wegen Beihilfe zur Korruption zu 10 Monaten bedingt verurteilt. Für das Gericht war es klar, das Cuomo genau wusste, was er tat, als er mit Prudentino im Namen Verdas verhandelte. Freigesprochen wurde er vom Vorwurf des Verstosses gegen das Bundesgesetz zum Aufenthalt von Ausländern in der Schweiz. Das Gericht hielt die Einreisesperre für ungerechtfertigt und folgte damit der Verteidigung.

Der 55-jährige Cuomo wird auf alle Fälle an Italien ausgeliefert, wo er sich unter anderem für die Mitgliedschaft zu einer kriminell-mafiösen Organisation zu verantworten hat.

 

Schlussstrich unter Ticinogate

Das für Ex-Richter Franco Verda harte Urteil schliesst ein wichtiges Kaptitel in der sogenannten Affäre Ticinogate. Die Geschichte wird die Öffentlichkeit aber noch weiter beschäftigen: Gegen Verdas Ehefrau Désirée Rinaldi wird es einen separaten Prozess geben, aber auch gegen den Anwalt Francesco Moretti und den Kantonsbeamten Alberto Zoppi, die Aufenthalts-Bewilligungen für mutmassliche Zigaretten-Schmuggler manipulierten.

Swissinfo.ch, 7. Juni 2001, Gerhard Lob, Lugano

 


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