Franco Verda, ehemaliger Tessiner
Gerichtspräsident wegen Korruption
verurteilt
Der ehemalige Tessiner
Strafgerichts-Präsident Franco Verda ist wegen
Korruption, Amtsgeheimnis-Verletzung und Anstiftung
dazu zu 18 Monaten Haft bedingt verurteilt worden.
Der Zigaretten-Schmuggler Gerardo Cuomo erhielt 10
Monaten bedingt.
In einem der aufsehenderregensten Prozesse der
Tessiner Justizgeschichte folgten Einzelrichterin
Giovanna Roggero-Will und die Geschworenen fast
vollständig der Anklage, auch wenn sie das
beantragte Strafmass von zwei Jahren unbedingt auf
eine bedingte Haftsstrafe reduzierten. Für den
60-jährigen Verda besonders bitter: Er wurde
der Bestechlichkeit schuldig gesprochen.
Beschlagnahmtes Mafia-Geld für
Freundin
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Verda
den Plan hatte, aus der Teilfreigabe von
beschlagnahmten Geldern des Mafioso Francesco
Prudentino Profit zu schlagen und dafür seinen
Freund Gerardo Cuomo als Vermittler einzuspannen.
Auch wenn der - nie bezahlte - Betrag von rund
800'000 Franken an die in Finanznot steckenden
Freundin Désirée Rinaldi gehen
sollte, sei es für einen Richter absolut
unzulässig, einen eigenen Entscheid «wie
eine Ware» anzubieten, sagte die Richterin in
ihrer mündlichen Urteilbegründung.
Verdas Version, er habe vom Deal gewusst, sei
aber nie treibende Kraft gewesen, sei
unglaubwürdig. Dies belegten nicht nur seine
widersprüchlichen Aussagen während der
Ermittlungsphase, sondern auch die bewiesenen,
punktuellen Informationen an Cuomo über den
Stand des Verfahrens.
Kriminalitäts-Bekämpfung
untergraben
Damit machte sich das Gericht die Version von
Gerardo Cuomo zu eigen, der erklärt hatte,
Verda habe im Mai 1999 in Monte Carlo den Pakt
vorgeschlagen. Das Gericht folgte zudem dem Antrag
auf Bestechung als schwerer Fall, weil Verda im
Enteignungs-Verfahren gegen Prudentino nicht
konsequent genug entschieden und damit den Kampf
gegen das organisierte Verbrechen untergraben habe.
Die nötige Unparteilichkeit habe Verda bei der
Behandlung des Falles gefehlt.
Auch der Vorwurf der Amtsgeheimnis-Verletzung
wurde Verda in mehreren Fällen angekreidet und
die Anstiftung dazu. Es handele sich um eine
«gravierende Tat", eine amtliche Akte ins
Ausland zu bringen und einer dritten Person zu
zeigen., genauso wie von einem befreundeten
Polizisten vertrauliche Informationen über
Cuomo zu erfragen. Einzig vom Anklagepunkt der
Begünstigung wurde Verda vollumfänglich
freigesprochen.
Keine Milde wegen Krankheit
Das Gericht anerkannte keine mildernde
Umstände wegen Verdas Krankheit, wie von der
Verteidigung gefordert, reduzierte wegen der
bereits erfolgten Amts-Enthebung die Strafe
gleichwohl auf 18 Monate, das Höchstmass, um
die Strafe bedingt auszusetzen. Der mutmassliche
Zigarettenschmuggler Gerardo Cuomo wurde wegen
Beihilfe zur Korruption zu 10 Monaten bedingt
verurteilt. Für das Gericht war es klar, das
Cuomo genau wusste, was er tat, als er mit
Prudentino im Namen Verdas verhandelte.
Freigesprochen wurde er vom Vorwurf des Verstosses
gegen das Bundesgesetz zum Aufenthalt von
Ausländern in der Schweiz. Das Gericht hielt
die Einreisesperre für ungerechtfertigt und
folgte damit der Verteidigung.
Der 55-jährige Cuomo wird auf alle
Fälle an Italien ausgeliefert, wo er sich
unter anderem für die Mitgliedschaft zu einer
kriminell-mafiösen Organisation zu
verantworten hat.
Schlussstrich unter Ticinogate
Das für Ex-Richter Franco Verda harte
Urteil schliesst ein wichtiges Kaptitel in der
sogenannten Affäre Ticinogate. Die Geschichte
wird die Öffentlichkeit aber noch weiter
beschäftigen: Gegen Verdas Ehefrau
Désirée Rinaldi wird es einen
separaten Prozess geben, aber auch gegen den Anwalt
Francesco Moretti und den Kantonsbeamten Alberto
Zoppi, die Aufenthalts-Bewilligungen für
mutmassliche Zigaretten-Schmuggler
manipulierten.
Swissinfo.ch, 7. Juni 2001, Gerhard Lob,
Lugano
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